Detaillierte Chronik bis 1952

Still und verborgen, umgeben von mächtigen Bäumen, liegt die Friedenskirche der evangelischen Gemeinde Dellwigs, die heute ca. 10.000 Köpfe zählt. Mit der zunehmenden Industrialisierung des Landes kamen die ersten evangelischen Glaubens in unsere Heimat, fanden Arbeit und siedelten sich an. Die Wiege ihrer Eltern bzw. Großeltern stand in Ostpreußen, bei einem kleineren Teil in Sachsen, Brandenburg und Schlesien. Aus allen Teilen des Deutschen Reiches strömten arbeitswillige Menschen ins Land der schwarzen Diamanten. Ihr Weg zum Gotteshaus war weit, denn sie gehörten zur Marktkirche der Stadt (am Essener Rathaus). So blieb es bis zum Jahre 1845. In Borbeck entstand die erste ev. Schule, in der vorerst Morgengottesdienste abgehalten wurden. 1856 wurde die ev. Gemeinde Borbeck selbständig. Zu ihr gehörten die Ortschaften Bochold, Schönebeck, Altendorf, Frohnhausen, Holsterhausen, Bedingrade, Frintrop, Gerschede, Dellwig und Vogelheim. Mit dem Bau der Matthäuskirche erhielt dieser in seiner Ausdehnung große Pfarrbezirk 1864 das erste Gotteshaus. Aber die wirtschaftliche Entwicklung des Gebietes stand erst am Anfang. Neue Schächte wurden abgeteuft, Hochöfen und Hüttenwerke erbaut. Da gab es Arbeit, da wurden viele Hände gebraucht. Mit der Zunahme der Bevölkerung wuchs auch die Zahl der ev. Einwohner, 1875 wurde die erste ev. Schule in Dellwig erbaut, 1891 die Errichtung einer Vikariatsgemeinde für die Ortschaften Dellwig-Frintrop-Gerschede genehmigt und Herrn Pastor Goecke die Gemeindegründung übertragen. Am 1. Advent 1891 wurde er von Pfarrer Haardt eingeführt. Vorerst fand der Gottesdienst und Unterricht in der Schule statt.

Ein Sammelverein wurde gegründet, und dank der großen Opferwilligkeit der Gemeinde konnte gar bald ein Grundstück für Kirche, Pfarrhaus sowie zur Anlage eines Kirchhofes angekauft werden. Zwei Jahre später wurde die Vikariatsgemeinde zur selbständigen Pfarrgemeinde erhoben und Pfarrer Goecke, bisher nur Vikariatspfarrer, zum Seelsorger der neuen Gemeinde ernannt. Der Wunsch der Gemeinde nach einem eigenen Gotteshaus ging schon im darauffolgendem Jahr in Erfüllung. Vom Donnerberg schaut die Kirche weit ins Land. Zu Predigt, Unterricht und Seelsorge aber gehört auch die Diakonie. Eine Schwesterstation wurde eingerichtet und lange Jahre hindurch von Schwestern des Diakonissenhaus Kaiserswerth besetzt. Das Vereinsleben innerhalb der Gemeinde blühte auf. 1908 wurde ein Gemeindehaus in der Zugstraße erbaut, in dem außer dem Gemeindeamt einer der beiden Kindergärten sowie eine Schwesternstation untergebracht werden konnten. Im Dezember 1907 wurde Pastor Ringhardtz als Hilfsgeistlicher eingeführt, und seit dieser Zeit in der Schäferdiekschule regelmäßig Frühgottesdienste abgehalten. 1911 wurde die Hilfspredigerstelle in eine Pfarrstelle umgewandelt, in die Pfarrer Bredt gewählt wurde. Der Bau der zweiten Kirche konnte in Angriff genommen und der Grundstein hierzu am 29. März 1914 gelegt werden.

Der 1. Weltkrieg brach aus und unterbrach die begonnenen Arbeiten. Trotz aller Wirren aber setzte man Stein auf Stein, und der Bau der Kirche und des Pfarrhauses an der Schilfstraße wurde weitergeführt. Am 9. Mai 1915 konnte das Gotteshaus durch Generalsuperintendent Klingemann eingeweiht werden. Mit ihrem gedrungenen Turm sieht sie wie eine Burg aus. Friedenskirche nannte man sie, nicht um des Friedens willen unter den Völkern – nein, weil Gott Frieden geschlossen hatte mit den Menschen in seinem Sohn Jesus Christus. Die Menschen aber schenkten den Menschen keinen Frieden. Der Revolution folgte der Bürgerkrieg. Im Spartakusaufstand fegten Gewehr- und Maschinengewehrgeschosse durch die Straßen. Die Reichswehr hatte Osterfeld eingenommen und rückte über Dellwig und Borbeck nach Essen vor. Eine neue Not zog über das Land, das sich nach Frieden sehnte. Inflation, Ruhrbesetzung, Arbeitslosigkeit, Hunger und Krankheit. Den Dienern Gottes erwuchsen schier unlösliche Aufgaben. Aber auch diese Zeit ging vorüber. Nur kurz war jedoch der Friede, dann kam das „1000jährige Reich“, welches auch der ev. Pfarre mit seinen Anschauungen große Sorgen machte und die Arbeit der Geistlichkeit einschränkte. Der 2. Weltkrieg brachte auch der Friedenskirche durch Bombentreffer im Jahre 1943 schwerste Schäden, und auch die Gnadenkirche lag voll Schutt und Trümmer. Während der Gottesdienst der Gnadenkirche im Gemeindehaus stattfand, wurde der Gottesdienst der Friedenskirche im Saal im Turm abgehalten. Dann brach der Zusammenbruch herein. Die Front rückte näher, 14 Tage lang lag Dellwig unter Beschuss feindlicher Artillerie. Am 10. April 1945 erfolgte die Besetzung.

Mit Dank darf man der Hilfe der Kirche im Ausland gedenken, die durch Spenden aller Art die erste große Not linderte. Mit neunen Mut ging man an die Wiederherstellung der arg beschädigten Kirchen. Die Beschaffung des notwendigen Baumaterials gestaltete sich äußerst schwierig. Am 1. Advent 1948 konnte Pfarrer Poppe als Nachfolger von Pfarrer Goecke die wiederhergestellte Gnadenkirche einweihen, im Juli 1949 konnte auch die Friedenskirche wieder ihrer Bestimmung übergeben werden. Durch viel Not und Leid, durch Müh und Arbeit sind wir alle geführt worden. Gott möge seinen Frieden ruhen lassen auf unserem Volk und Land, er gebe Glück zu unserem Tun und Heil zu allem Stand.

Verfasst 1952 von Pfarrer Bredt
Quelle: Festschrift „In einem Jahrtausend wuchs Dellwig“ herausgegeben anlässlich der Dellwiger Heimatwochen vom 26. Juli bis 7. September 1952